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In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg

Persönlichkeit / Veranlagung

Persönlichkeit: Wer ist zufriedener?

Die einen sind freundlich und offen, andere zwanghaft oder ängstlich. Persönlich­keits­merkmale formen unser Denken und Handeln. Welche Eigenschaften machen uns glücklich? Extraversion und Neurotizismus haben die stärkste Vorhersagekraft für Glück und Wohlbefinden.

Persönlichkeitseigenschaften formen einen Menschen über einen langen Zeitraum und manifestieren sich in seinem Denken, Fühlen und Handeln. Betrachten wir zum Beispiel eine Freundin, so erkennen wir vielleicht, dass sie fröhlich, verlässlich und intelligent ist. Das Temperament eines Menschen ist bereits in der frühen Kindheit erkennbar. Forschungen haben gezeigt, dass zwischen 50 und 80 Prozent der Persönlichkeits­merkmale auf genetische Faktoren zurückzuführen sind, wie eine Meta-Analyse mit über 14 Millionen Zwillingspaaren belegt hat.

Gibt es Eigenschaften, die unser Glück fördern, und andere, die der Zufriedenheit im Wege stehen? Generell können Persönlichkeitsmerkmale Aufschluss darüber geben, wie jemand mit verschiedenen Situationen umgeht: So lässt ein hoher Grad an Extraversion und Verträglichkeit besonders bei Männern eine recht zuverlässige Vorhersage für eine stabile und gute Partnerschaft zu, während hohe Werte an Neurotizismus auf das Gegenteil hindeuten.

Welche Eigenschaften machen uns glücklich?

Die Psychologie entwickelte das Persönlichkeitsmodell der Big Five. Schon 1925 hat Gordon Allport aus der statistischen Analyse des Wortschatzes fünf zentrale Grundfaktoren der Persönlichkeit identifiziert, die nicht aufeinander reduzierbar sind. Das Modell ist seither immer wieder wissenschaftlich bestätigt worden. Alle Menschen zeichnen sich durch diese fünf Eigenschaften aus: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Das sind »dimensionale Merkmale«, was bedeutet, dass sie bei allen Menschen vorkommen und bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die Dimension reicht dann von offen bis verschlossen, von gewissenhaft zu unachtsam, von verträglich zu egoistisch, von extravertiert zu introvertiert und von emotional stabil zu labil. Wichtig ist, dass keine Persönlichkeits­dimension nur positiv oder negativ ist. Gewissenhafte Menschen arbeiten pünktlich und strukturiert ihre »To-do-Listen« ab und sind somit über­durch­schnittlich beruflich erfolgreich. Aber sie können auch stur oder zwanghaft sein, was dem Erfolg wiederum im Wege steht (Tabelle 1).

Kursiv: Die Eigenschaften, die in Abbildung 1 gezeigt werden.

Persönlichkeits-
eigenschaft
Vorteile Nachteile
Extraversion Kontaktfreudig, kommunikativ, mit offenen Augen durchs Leben gehen, gesprächig, können gut aus sich herausgehen, fröhlich, aktiv Risikofreudig, eher unfallgefährdet, kann nicht gut allein sein, dominant
Neurotizismus

Gefahrensensibel, Angst als Antriebsfaktor, mehr zu arbeiten und zu erreichen

Emotional instabil, eher unzufrieden, launisch, überängstlich, sorgenvoll, depressiv, nervös, hypochondrisch
Offenheit Originell, neugierig, kreativ, Unbekanntem gegenüber aufgeschlossen Schnell gelangweilt, ungewöhnliche Denkmuster
Gewissenhaftigkeit Zielorientierte Impulskontrolle, gründlich, zuverlässig, fleißig, pflichtbewusst, erfolgsorientiert Kontrolliert, wenig spontan, zwanghaft, Besessenheit und Starrheit
Verträglichkeit Anpassungsfähig, höflich, hilfsbereit, Team-Player, achten auf harmonische Beziehungen, verzeihend, warmherzig, mitfühlend, nachsichtig Werden oftmals ausgenutzt, durchsetzungsschwach, haben Probleme, ihr eigenes Wohl im Auge zu behalten

 

Tabelle 1: Die Big Five und ihre Vor- und Nachteile

Welche Persönlichkeitseigenschaften machen denn nun glücklich? Verträgliche, extravertierte, offene, gewissenhafte und emotional stabile Menschen sind im Durchschnitt zufriedener. Extraversion trägt am meisten zur Zufriedenheit bei, Neurotizismus zur Unzufriedenheit. Neurotiker sind nicht nur häufiger gestresst, verletzlich oder ängstlich, sondern auch deutlich unzufriedener mit ihrem Leben. Extraversion und Neurotizismus haben die stärkste Vorhersagekraft für Glück und Wohlbefinden. Abbildung 1 zeigt, dass die Zufriedenheit von Menschen, die sich als sehr kommunikativ (extravertiert) und gründlich (gewissenhaft) wahrnehmen, um 1,7 bzw. 1,5 Punkte höher liegt als bei denjenigen, die sich diese Eigenschaften überhaupt nicht zuschreiben. Menschen, die von sich behaupten »sich oft Sorgen zu machen« (Marker für Neurotizismus), sind im Mittel 1,8 Punkte unzufriedener als Personen, die sich so gut wie nie Sorgen machen.

Abbildung 1: Persönlichkeitsmerkmale und Lebenszufriedenheit

Wer von sich sagt, dass er sich oft Sorgen macht (trifft voll und ganz zu), hat eine deutlich geringere Lebenszufriedenheit als Menschen, die sich so gut wie nie Sorgen machen.

Quellen: Eigene Berechnungen auf Basis des SOEP 2019.

»Ich bin jemand, der gründlich arbeitet / kommunikativ, gesprächig ist / originell ist, neue Ideen einbringt / sich oft Sorgen macht / verzeihen kann.«

Unsere Persönlichkeit bestimmt, wie wir mit dem Erlebten umgehen und welche Situationen wir aktiv aufsuchen: Ein sorgloser Draufgänger wird selten als Buchhalter in einem Seniorenheim arbeiten wollen. Ebenso wird eine eher ängstliche und introvertierte Person sich kaum als Stuntman in einem Actionfilm wohlfühlen. Es überrascht daher nicht, dass Menschen, die einen Beruf ausüben, der nicht zu ihrer Persönlichkeit passt, deutlich unzufriedener sind als solche, die ihren Traumjob gefunden haben (siehe dazu den Artikel »Wann sind wir bei der Arbeit zufrieden?«)

Unsere Persönlichkeit selektiert das Umfeld, in dem wir leben wollen und verstärkt so die Kraft der eigenen Persönlichkeit. Das gilt auch für Partnerschaften. Langfristige Liebesbeziehungen gehen vor allem Menschen miteinander ein, die sich ähnlich sind. Eine Studie mit 80.000 heterosexuellen Paaren ergab eine Übereinstimmung in 89 Prozent der Merkmale. Weil eben auch die Partnerschaft selbstverstärkend wirkt, werden sich viele Paare im Laufe der Zeit noch ähnlicher, was wiederum ihr Eheglück fördert. 

Obwohl angeborene Begabungen und familiäre Prägungen einen starken Einfluss haben, können wir durch persönliche Entscheidungen – oder auch Fehlentscheidungen – unser Wohlbefinden maßgeblich beeinflussen, etwa indem wir einen Partner oder eine Arbeit wählen, die zu unserer Persönlichkeit passt. Ein harmoniebedürftiger Mensch sollte es sich gut überlegen, ob er eine Führungsposition annimmt, bei der harte Durchsetzungsmethoden gefragt sind. Zudem ändert sich auch unsere Persönlichkeit: Sie reift und verändert sich nach großen Lebensereignissen wie Heirat, erstem Job oder Krankheit. Dennoch geben die angeborenen »Voreinstellungen« der persönlichen Entwicklung den Rahmen vor. Ein von seiner Natur her ängstlicher Mensch kann daran arbeiten risikofreudiger zu werden, aber ein Draufgänger wird er schwerlich werden.

Auch Intelligenz gehört zur Persönlichkeit und sie ist ungleich über die Bevölkerung verteilt. Wie schnell eine Person neue Sachverhalte erfassen kann und über wie viel erlerntes Wissen jemand verfügt, spielt bei der Bewertung einer Person eine große Rolle. Der Intelligenzquotient kann den Erfolg in Schule, Studium und Beruf relativ gut vorhersagen. Aber macht Intelligenz glücklich? Weniger als die meisten vermuten. Zwar sind intelligente Menschen zufriedener, das hat aber überwiegend damit zu tun, dass sie mehr verdienen. Bei gleichem Verdienst sind intelligente Personen kaum noch zufriedener.

Gibt es bestimmte Eigenschaften, die dem persönlichen Lebensglück besonders zuträglich sind? Was machen Glückspilze besser? Ihnen widerfahren scheinbar zufällig immer wieder positive Ereignisse, ohne dass sie dafür viel getan haben. Der Psychologe Richard Wiseman hat sich die Persönlichkeitsstruktur der Glückspilze näher angesehen. Sie sind weder verträglicher noch gewissenhafter als Pechvögel, aber dafür deutlich weniger neurotisch. Stattdessen sind sie offener und extravertierter. Sie vertrauen darauf, dass das Leben im Grunde genommen gut verläuft und dass sie auf der Gewinnerseite stehen. Ihre Selbstakzeptanz ist hoch, Selbstvorwürfe machen sie sich kaum. Sie besitzen eine stabile Identität und behandeln sich selbst wohlwollend. Dies unterscheidet sie von den Selbstoptimierern, die ständig mit sich selbst unzufrieden sind und niemals eine vollständige Selbstübereinstimmung erreichen können, da ihr selbstgestecktes »Optimum« stets unerreichbar ist. Selbstoptimierer mögen im Leben vielleicht erfolgreich sein, weil sie aktiv sind, aber Glück empfinden sie selten. Glückspilze hingegen sind glücklich, auch wenn sie nicht mit herausragenden Erfolgen glänzen können.

Wir verbringen einen Großteil unserer Lebenszeit am Arbeitsplatz. Im Durchschnitt arbeiten Erwerbstätige in Vollzeit in Deutschland 40,5 Stunden pro Woche. Der Beruf hat einen großen Einfluss auf unsere Lebenszufriedenheit. Daher lohnt es sich, einen Blick auf unser Glück am Arbeitsplatz und beim Jobwechsel zu werfen.

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