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In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg

Einkommen / Vermögen

Kaufen oder Mieten – die Glücksbilanz

Höhere Zinsen und hohe Preise: Die Finanzierung einer Immobilie wird derzeit immer teurer. Viele träumen vom Häuschen im Grünen und verschulden sich. Doch wie sieht die Glücksbilanz von Mietern und Eigentümern eigentlich aus? So viel sei verraten: Beim Kauf erleben die neuen Eigentümer ein Stimmungshoch – später folgt oft die Ernüchterung.

Wer kurz vor dem Einzug in seine eigene Immobilie steht, erlebt eine zwar anstrengende, aber auch glückliche Zeit. Die Kisten werden gepackt, das neue Heim eingerichtet und der Kreditvertrag mit der Bank unterzeichnet. Der Erwerb einer Immobilie (z.B. ein Einfamilien- oder Reihenhaus, eine Eigentumswohnung) geht häufig mit dem Gefühl einher, im Leben etwas erreicht zu haben und endgültig in der Mittelschicht angekommen zu sein. Das Eigenheim fungiert dann als Symbol des Aufstiegs. Freunden und Verwandten kann man zeigen: »Ich habe es geschafft!« Darüber hinaus bietet eine Immobilie finanzielle Sicherheit und dient als Investition in die Zukunft, denn im Rentenalter erspart sie uns Mietzahlungen.

Allerdings ist diese Erzählung nur die halbe Wahrheit, wie die Glücksforschung neuerdings zeigt. Eigentum scheint langfristig sogar weniger glücklich zu machen als wir lange dachten. Ein Zufriedenheit stiftender Eigentumseffekt ist womöglich gar nicht vorhanden: Eigentümer und Mieter sind unabhängig von ihrem Besitzstatus gleich zufrieden. Darauf deuten Langzeitdaten aus dem SOEP hin.

Der Immobilienerwerb löst eine emotionale Hochphase aus

Die Jahre kurz vor und nach dem Immobilienerwerb lösen ein emotionales Hoch aus (Abbildung 1). Einige Jahre vor dem Immobilienkauf liegen die „Noch-Mieter“ und zukünftigen Eigentümer im Durchschnitt auf einer Skala von 0 („überhaupt nicht zufrieden“) bis 10 („vollkommen zufrieden“) bei etwa 7,2 Punkten. Doch bereits zwei Jahre zuvor beginnt deren durchschnittliches Lebensglück um 0,1 auf 7,3 Punkte zuzunehmen. In der Glücksforschung wird dieser Anstieg auch „Antizipation“ genannt: Es ist die Phase, in der die zukünftigen Eigentümer den Immobilienerwerb planen und vorbereiten.

Zudem stehen mehrheitlich Personen zwischen 30 und 40 Jahren vor dem Kauf einer Immobilie. Bei vielen steigt in diesem Alter das Einkommen an und sie befinden sich in der Familiengründungsphase. Die Immobilie ist für viele ein Symbol für das gute Vorankommen in der eigenen Lebensplanung. Schon 1903 stellte Wladimir Karapetoff in einem soziologischen Fachblatt fest: Unsere Lebenszufriedenheit hängt vor allem von der Stärke der Zunahme unseres Fortschritts ab. Geht es im Leben gefühlt voran, sind wir glücklich. Stagnieren wir, werden wir unzufrieden.

Abbildung 1: Gut vier Jahre nach dem Immobilienkauf liegt die Lebenszufriedenheit wieder auf dem ursprünglichen Niveau

Die Lebenszufriedenheit von Hauskäufern steigt bereits drei Jahre davor an und erreicht im Jahr des Erwerbs ihren Höhepunkt. Nach gut vier Jahren ist das alte Glücksniveau erreicht bzw. sogar unterschritten. Zumeist sind es die finanziellen Belastungen, die langfristig die Stimmung drücken.


Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage des Sozio-oekonomischen Panels v36 (1984 bis 2020).
Anmerkung: Die Zufriedenheitsskala geht von 0 (= überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (= völlig zufrieden). Enthalten sind nur Personen, die zum ersten Mal eine Immobilie käuflich erwerben.

Abbildung 1 zeigt: Nach dem Hoch im Jahr des Immobilienerwerbs und -bezugs nimmt die allgemeine Lebenszufriedenheit schon wieder ab. Glücksforscher nennen dies den „Adaptionseffekt“: Die Immobilie verliert ihren exzeptionellen Wert und wird „gewöhnlich“. Im ersten Jahr genießen wir noch die Vorteile (zu den Nachteilen kommen wir weiter unten) des Eigentums – wir richten das Eigenheim ein, planen für die Außenanlagen und spüren die Neuwertigkeit. Nach zwei Jahren gewöhnen wir uns daran. Zudem wiegt die finanzielle Belastung schwerer: Viele Neueigentümer verzichten in den Jahren nach dem Immobilienkauf auf Urlaube und versuchen, das Geld zusammenzuhalten. Mit den Jahren wird auch die Pflege der Außenanlagen für so manchen lästig. Schließlich verlieren auch die anderen – rund um den Immobilienerwerb vollzogenen – positiven Lebensereignisse ihren Reiz: Die Hochzeit, die Geburt des ersten Kindes etc. liegen bereits einige Zeit zurück – auch hier adaptieren wir das Lebensglück wieder zurück auf das alte Niveau. Nach etwa vier bis fünf Jahren liegen wir in unserer Lebenszufriedenheit wieder auf dem ursprünglichen Niveau: Der Immobilienkauf beschert uns somit kurzfristig eine emotional hochzufriedene Phase, langfristig aber tut sie für unsere allgemeine Lebenszufriedenheit nicht viel.

Mit dem Einkommen und dem eigenen Arbeitsplatz sind Eigentümer sogar unzufriedener

Während bei der allgemeinen Lebenszufriedenheit zwischen Mietern und Eigentümern keine besonderen Unterschiede bestehen, sieht es in manchen Bereichszufriedenheiten für die Eigentümer sogar schlechter aus (Abbildung 2): Immobilienbesitzer sind beispielsweise mit ihrem Einkommen unzufriedener. Vergleicht man exakt gleich wohlhabende Mieter und Eigentümer miteinander, scheint der Eigentümer mit seinem Einkommen schlechter auszukommen: Er oder sie ist um 0,077 Punkte unzufriedener mit der eigenen finanziellen Situation. Die in Deutschland deutlich höhere monatliche Annuitätenbelastung (Zins- plus Tilgungszahlungen) im Vergleich zu den Mietkosten im Monat sowie die größeren Wartungs- und Instandhaltungskosten ergeben einen höheren Finanzbedarf für den Eigentümer.

Darüber hinaus zeigt sich bei den Eigenheimbesitzern auch eine etwas niedrigere Jobzufriedenheit. Das ist bereits oft in der Glücksforschung gezeigt worden: Immobilien machen auch das Arbeitsleben immobiler. Auch wenn man seinen Arbeitsplatz gerne wechseln würde, geht dies oft nicht, da im näheren Umkreis womöglich keine gleichwertige Stelle mehr vorhanden ist. So bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder man bleibt an dem unbeliebten Arbeitsplatz – oder man sucht sich einen Job weit entfernt von der eigenen Immobilie und das bedeutet lange Pendelwege mit all seinen Nachteilen. Und wir wissen: Allzu langes Pendeln macht unglücklich.

Abbildung 2: Eigentümer sind mit ihrem Einkommen und ihrem Job unzufriedener – und emotional gestresster

Wohneigentümer haben gegenüber Mietern leichte Einbußen beim emotionalen Wohlbefinden und sie sind auch mit dem eigenen Einkommen weniger zufrieden, weil die Schulden drücken. Allerdings: Die Zufriedenheit mit dem Wohnen ist bei Eigentümern deutlich höher.


Quelle: Eigene Berechnungen auf Grundlage des Sozio-oekonomischen Panels v36 (1990 bis 2020).
Anmerkung: Emotionales Wohlbefinden: Häufigkeit von Angst, Wut, Trauer und Glücksempfindungen. Die Zufriedenheitsskalen geht von 0 (= überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (= völlig zufrieden). Sämtliche Eigentümer und Mieter sind enthalten.

Auch der emotionale Zustand von Eigentümern ist eher schlechter als der von Mietern: Abbildung 2 zeigt, dass das emotionale Wohlbefinden unter Immobilienbesitzern um etwa 0,08 Punkte niedriger ist. Emotionales Wohlbefinden wird üblicherweise gemessen, indem man die Häufigkeit verschiedener emotionaler Zustände in den letzten vier Wochen abfragt. Eigentümer sind demnach öfter wütend, ängstlich und traurig. Außerdem erleben sie seltener Glücksempfindungen.

Erklärungen in der Glücksforschung lassen sich hierfür noch keine finden. Womöglich sind Eigentümer mehr alltäglichen Stressoren ausgesetzt als Mieter: Wenn etwas am Haus kaputtgeht, eine Behörde nicht antwortet oder Kredite zeitweise nicht bedient werden können, ist der Eigentümer selbst für die Lösung der Probleme verantwortlich. Ein Mieter hingegen kann sich oft zurücklehnen und genießt Schutz über das Mietrecht.

Eigentümer sind mit ihrer Wohnsituation zufriedener als Mieter

Eigentümern geht es in manchen Bereichen aber auch besser: Sie sind zum Beispiel zufriedener mit ihrer Wohn- und Nachbarschaftssituation als Mieter. Eigentümer leben in einer ruhigeren und homogeneren Nachbarschaft, fühlen sich stärker mit ihrer Heimat verbunden, engagieren sich mehr in Vereinen oder Kirchen und sind (kommunal-)politisch aktiver. Ein weiterer Faktor ist die durchschnittlich bessere Wohnsituation der Haus- und Wohnungsbesitzer: Eigentümer leben auf deutlich mehr Quadratmetern, haben eher einen Garten und eine Terrasse sowie eigene Stellplätze für Autos. Außerdem lebt der größte Anteil der Eigentümer in Deutschland in Einfamilien- bzw. Reihenhäusern: Das erspart auch die bekannten Streitereien wegen Lärm oder Müll mit Nachbarn in Mehrfamilienhäusern. Das spricht nun allerdings weniger für das Eigentum als vielmehr für die Verbesserung der Wohnsituation vieler Mieter in Deutschland.

Eigentum wird auch deswegen sehr positiv bewertet, weil sich die Wohnsituation verbessert, was wiederum mit der oft schlechten Qualität vieler Gebäude (beispielsweise der große baufällige Wohnungsbestand aus den 1950er und 1960er-Jahre) zusammenhängt. Würde man diese Qualitätsunterschiede ausgleichen – zum Beispiel die Dämmung vieler Mehrfamilienhäuser verbessern, Mietgebäude auch an ruhigeren Orten bauen – würde sich auch die Wohn- und Nachbarschaftszufriedenheit zwischen Eigentümern und Mietern angleichen.

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