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In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg

SKL Glücksatlas

Baden-Württemberg: Trotz hohem Wohlstand oft nur Mittelfeld

Baden-Württemberg rutschte während der Pandemie ins Mittelfeld ab und bleibt auch 2023 nur unterdurchschnittlich zufrieden. Diese Entwicklung ist enttäuschend, insbesondere für ein Bundesland mit einem hohen Einkommen und hoher Wertschöpfung. Sowohl die Einkommenszufriedenheit als auch die Arbeitszufriedenheit liegen auf einem niedrigen Niveau, wobei die Arbeitszufriedenheit sogar noch weiter abgenommen hat.

Auch 2023 enttäuscht Baden-Württemberg: Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit liegt mit 6,88 Punkten nur im Mittelfeld des Bundesländer-Rankings (Abbildung 1). Der Abstieg ins Mittelfeld scheint sich zu verfestigen. In den Pandemie-Jahren sowie 2022 belegte Baden-Württemberg den achten bzw. neunten Rang. Das ist für ein derart wohlhabendes Bundesland schwach, zumal Baden 2017 auf Rang drei lag und der Spitzengruppe angehörte. Mit einem durchschnittlichen jährlichen verfügbaren Einkommen von 25.500 Euro ist der Südwesten nach Bayern das zweitreichste Bundesland. Dementsprechend stand der Südwesten in den 2010er-Jahren stets besser da als die meisten anderen Regionen.

Abbildung 1: Allgemeine Lebenszufriedenheit in Baden-Württemberg 2015 bis 2023

Die Lebenszufriedenheit der Baden-Württemberger liegt seit der Corona-Pandemie knapp unterhalb des bundesdeutschen Durchschnitts. Für ein Bundesland mit einem hohen Einkommen und einer hohen Wertschöpfung ist das enttäuschend.

Anmerkung: Lebenszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2017, Glücksatlas-Datenbank 2015 bis 2023.

Die schwächelnden Zufriedenheiten im Südwesten stellen ein Rätsel dar. Auch im Städtevergleich 2023 schnitt die Landeshauptstadt Stuttgart schwach ab. Für die nur mäßige Lebenszufriedenheit können zwei mögliche Erklärungsansätze herangezogen werden. Zum einen zeigt sich, dass die allgemeine Zuversicht in der Region vergleichsweise niedrig ist. Viele Einwohner befürchten einen Verlust an Wohlstand. Die hohen Energiepreise und die Inflation treiben besonders viele Baden-Württemberger um, wie eine Umfrage von infratest dimap zeigt.  Zum anderen beklagten in unserer Städteumfrage besonders viele Stuttgarter ein fehlendes Zusammengehörigkeitsgefühl.

Ein Grund könnte die Zunahme von »Parallelgesellschaften« sein. In Baden-Württemberg haben sich eine Vielzahl migrantischer Communities gebildet. Mit 16,4 Prozent ist der Anteil der ausländischen Bevölkerung auf das zweithöchste Niveau (nach Hessen mit 17,1 Prozent) in einem Flächenland gewachsen. Aus der Glücksforschung ist bekannt, dass das Verbundenheitsgefühl mit den Mitmenschen aus dem nächsten Umfeld eine gewichtige Rolle für das eigene Lebensglück spielt – sowohl für die ausländische Bevölkerung als auch für die Einheimischen. Fehlt dieses Verbundenheitsgefühl, sinkt auch das Sicherheitsempfinden.

Einkommenszufriedenheit stabil, Arbeitszufriedenheit sinkt

Baden-Württemberg gehört mit Bayern, Hessen und Hamburg zu den wohlhabenden Bundesländern in Deutschland. Der Südwesten hat insbesondere von den wirtschaftlich guten 2010er-Jahren profitiert: Die Bruttostundenverdienste sind zwischen 2015 und 2020 um fast ein Drittel gewachsen. Im Jahr 2020 betrug das durchschnittliche monatliche Haushaltsnettoeinkommen (d.h. nach Steuern und Sozialabgaben) 4.222 Euro und war damit ähnlich hoch wie im reichen Nachbarland Bayern. Darüber hinaus ist die Ungleichheit im Land relativ gering: »Nur« etwa 15,4 Prozent gelten als armutsgefährdet (Gesamtdeutschland: 16,2 Prozent), verdienen also weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens.

Abbildung 2: Die Zufriedenheit der Baden-Württemberger mit ihrem Haushaltseinkommen

Die Einkommenszufriedenheit bricht im Südwesten seit 2019 stärker ein als im gesamtdeutschen Durchschnitt: 2022, im Inflationsjahr, war der Wert mit 6,49 am schlechtesten und stagniert seither auf diesem Niveau. Zudem liegt die Einkommenszufriedenheit »nur noch« im bundesdeutschen Durchschnitt.

Anmerkungen: Einkommenszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«). Haushaltseinkommen: Nettoeinkommen aller Haushaltsmitglieder nach Steuern und Sozialabgaben, aber plus Transfers wie Wohn- oder Kindergeld.

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2022.

Abbildung 2 zeigt bis 2019 eine dem hohen Wohlstand entsprechende hohe Zufriedenheit mit dem eigenen Einkommen. Mit 7,48 Punkten im Vor-Corona-Jahr gehörten die Baden-Württemberger zusammen mit den Hessen und Bayern sogar zu den glücklichsten im finanziellen Bereich. Seit 2020 (7,03 Punkte) – dem ersten Pandemiejahr – fällt die Einkommenszufriedenheit im Südwesten. 2023 liegt die durchschnittliche Zufriedenheit mit der finanziellen Situation sogar nur noch bei 6,54 Punkten und hält sich damit auf dem geringen Niveau des Jahres 2022.

Eine derartige Diskrepanz zwischen einem hohen Wohlstand und einer geringen Einkommenszufriedenheit gibt es in keinem anderen Bundesland. Vielleicht wirkt sich die im Vergleich zu anderen Bundesländern hohe Wohneigentumsquote angesichts der Inflation nachteilig aus: Aus Studien ist bekannt, dass Wohneigentümer aus den mittleren Einkommensschichten deutlich anfälliger auf finanzielle Unsicherheiten reagieren. Und für die »Häuslebauer« sind es keine guten Jahre: Steigende Inflation, zunehmende Hypothekenzinsen, Handwerkermangel und Energiewende erhöhen die finanziellen Sorgen der Eigentümer.

Abbildung 3: Arbeitszufriedenheit der Baden-Württemberger

Die Arbeitszufriedenheit in Baden-Württemberg variiert stärker als in den 2010er-Jahren: 2023 sinkt sie wieder auf 6,97 Punkte, nachdem die Südwestdeutschen noch 2022 von einer Erholung im Arbeitsleben berichteten. Vor Corona stagnierte die Arbeitszufriedenheit nahezu.

Anmerkungen: Arbeitszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«). Haushaltseinkommen: Nettoeinkommen aller Haus-haltsmitglieder nach Steuern und Sozialabgaben, aber plus Transfers wie Wohn- oder Kindergeld.

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2023.

Die Arbeitszufriedenheit der Baden-Württemberg sinkt wieder, nachdem sie sich 2022 leicht erholt hatte (Abbildung 3). Mit 6,97 Punkten bewegt sie sich wieder in Richtung des Corona-Jahres 2021 (6,76 Punkte). Darüber hinaus wird die Arbeitszufriedenheit volatiler: 2022 sprang der Wert auf 7,17 Punkte und erreichte damit das langfristige Vor-Corona-Niveau, während es 2021 und 2023 im Arbeitsleben der Baden-Württemberger deutlich nach unten ging.

Die Pandemie trug zunächst zu einer leicht erhöhten Arbeitslosenquote bei, die sich jedoch bis Herbst 2022 wieder verringerte. Seitdem verzeichnet sie jedoch einen kontinuierlichen Anstieg, wobei sie im Herbst 2023 bei 4,0 Prozent liegt, verglichen mit 3,2 Prozent im Jahr 2019. Die »neuen« Arbeitssuchenden kommen hauptsächlich aus dem Dienstleistungs- und Tourismussektor. Die Arbeitsplatzgewinne der wirtschaftlich guten Jahre zwischen 2015 und 2019 sind somit wieder verloren gegangen.

Die Arbeitszufriedenheit ist in Baden-Württemberg ein wichtiger Indikator: Die Erwerbstätigenquote, d.h. der Anteil an Erwerbstätigen an allen »Arbeitsfähigen«, ist hier besonders hoch. Gerät der Arbeitsmarkt ins Schwanken, trifft das somit einen großen Teil der Bevölkerung direkt. Der Erfolg des Arbeitsmarkts im Südwesten ist dabei besonders vom Güterexport abhängig. Sollten die Handelshemmnisse weltweit zunehmen – wie das unter Donald Trump in den USA begann oder  von der Europäischen Union im Automobilsektor geplant ist – trifft das Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern überproportional stark.

Die Lebenszufriedenheit in den Regionen Baden-Württembergs

Baden-Württemberg ist im Norden eher industriell, im Süden eher landwirtschaftlich und touristisch geprägt. Rund um Stuttgart gibt es mit einem Kraftfahrzeugbauer ein wohlstandsmehrendes Großunternehmen. Im Südwesten verdankt das Land seinen hohen Lebensstandard aber vor allem vielen kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Viele »Hidden Champions« haben hier ihren Firmensitz: Sie stellen oft als einzige ein bestimmtes Produkt her und sind trotz ihrer geringen Größe in ihrem Segment Marktführer. Als ein Beispiel ist z. B. die Zahntechnik im südlichen Württemberg zu nennen.

Abbildung 4: Südbaden am zufriedensten, Württemberg-Süd am unzufriedensten

Am glücklichsten sind die Südbaden mit 6,94 Punkten. Mit einem Abstand von 0,33 Punkten sind die Nordbaden deutlich unzufriedener mit ihrem Leben.


Anmerkungen:Lebenszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Glücksatlas-Datenbank 2023.

Ein differenzierter Blick in das Bundesland zeigt beträchtliche Unterschiede zwischen Südbaden (7,06 Punkte) und Württemberg-Nord (6,90 Punkte) auf der einen Seite und Nordbaden (6,76 Punkte) sowie Württemberg-Süd (6,72 Punkte) auf der anderen Seite (Abbildung 4). Diese Niveauunterschiede konnten wir bereits letztes Jahr feststellen. Der südbadische Raum hebt sich im Lebensglück vom Rest des Landes somit ab. Die Kombination aus einer begehrten Tourismusregion (Südschwarzwald), reizvollen Städten (wie Freiburg als Universitätsstadt und Baden-Baden als Kulturzentrum) sowie einem hohen Wohlstandsniveau scheint die Lebenszufriedenheit zu heben. Verstärkt wird dies durch ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl und die Nähe zur Schweiz, wohin besonders viele Einwohner aus Südbaden beruflich pendeln.

Der Schwarzwald, der sich von Nord- über Südbaden erstreckt sowie Regionen im Allgäu und am Bodensee sind wiederum stark touristisch geprägt. Hier profitieren die Baden-Württemberger von einer schönen Landschaft und intakten Natur. Im Süden gibt es darüber hinaus einen großen kulturellen Stolz – angefangen von der Uhrenkunst im Südschwarzwald bis hin zur alemannischen Fastnacht (»Fasching«).

Familienzufriedenheit bleibt gering, Gesundheitszufriedenheit sinkt auf Durchschnittsniveau

Abbildung 5: Die Zufriedenheit der Baden-Württemberger mit ihrem Familienleben

Die Familienzufriedenheit sinkt 2023 und fällt auf 7,29 Punkte. Das Familienleben wird damit lange nicht mehr so gut beurteilt wie noch in den 2010er-Jahren.

Anmerkungen: Familienzufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2023.

In Baden-Württemberg stürzte die Familienzufriedenheit von 8,08 (2019) auf 7,27 Punkte (2021) ab, ähnlich wie in Gesamtdeutschland. 2022 brachte eine leichte Erholung auf 7,38 Punkte, 2023 fällt sie wieder auf 7,29 Punkte, was sehr enttäuschend ist (Abbildung 5). Im Vergleich zu Gesamtdeutschland waren die Menschen aus dem Südwesten mit ihrer Familiensituation früher immer etwas glücklicher. Dazu trugen bisher ein hoher Anteil Verheirateter und stabile Familienverhältnisse bei.

Allerdings machte sich in der Pandemie die im Vergleich zu anderen Bundesländern unterdurchschnittliche Ausstattung mit Kindertagesstätten bemerkbar. In Baden-Württemberg waren insbesondere erwerbstätige Frauen mit Sprösslingen im Kindergartenalter mit ihrem Familienleben unzufrieden. Das Stresslevel aus der Pandemiezeit scheint geblieben zu sein. Allerdings teilt sich der Südwesten dieses Phänomen mit dem Rest der Bundesrepublik. Die Corona-Pandemie hat der Zufriedenheit mit dem Familienleben »einen herben Schlag versetzt« und stagniert auf der 11er-Skala seitdem etwa einen Dreiviertelpunkt weiter unten.

Abbildung 6: Die Zufriedenheit der Baden-Württemberger mit ihrer Gesundheit

Die Gesundheitszufriedenheit sinkt 2023 leicht um 0,15 Punkte und landet auf dem bundesdeutschen Niveau. 2022 kann somit wohl als positiver Ausreißer betrachtet werden.

Anmerkungen: Gesundheitszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2023.

Die Zufriedenheit mit der Gesundheit war und ist in Baden-Württemberg immer ähnlich hoch gewesen wie der gesamtdeutsche Durchschnitt. 2023 entspricht diese mit 7,00 Punkten genau dem bundesdeutschen Durchschnitt. Allerdings überrascht der Südwesten – im Gegensatz zur Einkommens- und Arbeitszufriedenheit (Abbildungen 2 und 3) – in diesem Bereich positiv.

Die objektiven Indikatoren sprechen nämlich eine eher negative Sprache: Zum einen ist die Krankenhausbetten- und Ärztedichte gering. Auf 1.000 Einwohner kommen im Südwesten 4,9 Betten (Ø Deutschland: 5,7). Das bedeutet besonders lange Wartezeiten auf Operationen. Zum anderen gab es 2022 im Südwesten einen überraschend hohen Krankenstand zu verzeichnen. Überdurchschnittlich viele Menschen beziehen derzeit Krankengeld. Offenbar handelt es sich hier überwiegend um psychische Erkrankungen – auch eine Folge der Corona-Pandemie.

Stärken Baden-
Württemberg
Deutsch-
land
Hohe Forschungs- und Entwicklungsintensitäta
FuE-Aufwendungen in Prozent der Bruttowertschöpfung, 2019
5,33 2,42
Verfügbares Einkommen je Einwohnerb
jährlich, 2020
25.500 23.750
Arbeitslosenquoteb
in Prozent aller Erwerbspersonen, Juli 2023
4,0 5,7
Schwächen Baden-
Württemberg
Deutsch-
land
Krankenhausbettendichtec
Betten je 1.000 Einwohner
4,9 5,8
Langsames Internetd
Mit Glasfaser angeschlossene Haushalte in Prozent aller Haus-halte 2022 (»Homes Passed«)
17 26

a Haag et al. 2023. b Statistik der Agentur für Arbeit. c Krankenhausstatistik des Bundes und der Länder. d Bundesverband Breitbandkommunikation.

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