Thüringen kann sich in diesem Jahr gemeinsam mit Sachsen über einen Erfolg im Bundesländer-Ranking freuen: Mit einer Lebenszufriedenheit von 6,83 liegt Thüringen nur noch 0,09 Punkte unter dem deutschlandweiten Durchschnitt. Die Einkommens- und Arbeitszufriedenheit liegen im bundesdeutschen Durchschnitt. Die Familienzufriedenheit steigt stark an, nur die Gesundheitszufriedenheit lässt etwas nach. Sorgen bereiten die großen Stadt-Land-Unterschiede.
Thüringen gehört – neben Sachsen – zu den Gewinnern im Bundesländer-Ranking 2023: Mit 6,83 Punkten schafft es Thüringen auf Platz elf und schiebt sich vor Brandenburg und Rheinland-Pfalz. Die Differenz zum gesamtdeutschen Durchschnitt verringert sich dadurch von 0,29 auf 0,09 Punkte – die Lebenszufriedenheit der Thüringer unterscheidet sich somit nicht mehr signifikant von der Gesamtdeutschlands (Abbildung 1). Auch wenn die Thüringer vom Vor-Corona-Niveau in Höhe von 7,09 Punkten noch weit entfernt sind, schaffen sie es, den Anschluss an die gesamtdeutsche Entwicklung zu finden.
Bis 2019 stieg die durchschnittliche Lebenszufriedenheit in Thüringen noch stetig an. 2015 lag sie bei 6,80 Punkten, 2019 knackte Thüringen mit 7,09 Punkten als einziges ostdeutsches Bundesland die 7er-Marke. Die Corona-Maßnahmen führten auch bei den Thüringern zu erheblichen Einbußen an Lebenszufriedenheit. Der Wert sank um 0,64 Punkte und erreichte 2021 lediglich 6,45 Punkte, was Thüringen den 14. Platz im Bundesländer-Ranking einbrachte, noch hinter Bremen und Berlin. 2022 erholte sich die Lebenszufriedenheit nur minimal, mit 6,54 Punkten kann es lediglich einen Rang gut machen. 2023 hat Thüringen aber wieder gut aufgeholt.
Abbildung 1: Allgemeine Lebenszufriedenheit in Thüringen 2015 bis 2023
Ob dieser Weg weitergeht, ist fraglich. Gerade in den strukturschwächeren Regionen im Süden (z.B. die Landkreise Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen) und Nordwesten (z.B. der Kyffhäuserkreis oder der Landkreis Nordhausen) sinkt das Wohlbefinden eher, als dass es steigt – auf diese Regionen blicken wir mit Sorge. Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit im ländlichen Raum Thüringens liegt bei 6,54 Punkten, in städtisch geprägten Regionen sind es 7,08 Punkte. Der Thüringer Sozialstrukturatlas zeigte 2020, dass sich mehr als 60 Prozent der Einwohner auf dem Land ungerecht behandelt fühlen und Angst haben, auf der Verliererseite des Lebens zu stehen. In den Städten sind es »nur« 45 bis 50 Prozent. Thüringen profitiert von der ökonomischen Stärke im westlichen Sachsen sowie von der »Achse« Gotha–Erfurt–Jena (»Thüringer Städtekette«), die sich zum zentralen Wirtschaftsraum Thüringens entwickelt. Gemeinsam mit der TU Ilmenau könnte die Städtekette zu einem wichtigen deutschen Technologiestandort werden – inklusive steigendem Wohlstand und geringer Arbeitslosenquote.
Die Unterschiedlichkeit der Lebensqualität zwischen Stadt und Land bestätigt auch der im Winter 2022/23 durchgeführte Thüringenmonitor der Universität Jena. Hierbei wurden verschiedene Zufriedenheiten mit den Struktur- und Lebensbedingungen abgefragt. So zeigt sich, dass die Zufriedenheiten mit dem ÖPNV, der Erreichbarkeit von Fachärzten oder den Einkaufsmöglichkeiten für den alltäglichen Bedarf umso schlechter ausfallen, je ländlicher die eigene Gemeinde geprägt ist. Besonders groß sind die Unterschiede beim öffentlichen Personennahverkehr: In den Städten sind noch 89 Prozent der Thüringer mit dem ÖPNV zufrieden, in »moderat ländlich« geprägten Regionen sind es nur noch 46 Prozent und in »sehr ländlichen« Gebieten 35 Prozent. Auf dem Land sind zudem nur 36 Prozent mit der Erreichbarkeit von Fachärzten zufrieden. Das sind beunruhigend niedrige Anteile, die laut Thürin-genmonitor auch einen Großteil des Vertrauensverlusts in die hiesige Politik erklären kann.
Einkommenszufriedenheit steigend, Stagnation bei der Arbeitszufriedenheit
Abbildung 2: Die Zufriedenheit der Thüringer mit ihrem Haushaltseinkommen
Die Thüringer haben im deutschlandweiten Vergleich seit 2022 eine durchschnittliche Einkommenszufriedenheit. Davor lag sie immer deutlich unterhalb des Durchschnitts (Abbildung 2). 2023 landet die Zufriedenheit mit dem eigenen Einkommen mit 6,63 Punkten so hoch wie in Gesamtdeutschland. Das zeigt, dass die Thüringer ihre wirtschaftliche Situation gar nicht so schlecht beurteilen, wie man angesichts des vergleichsweise geringen Bruttoarbeitsentgelts vermuten würde: Ein Thüringer verdient im Schnitt jährlich 36.500 Euro brutto, in Gesamtdeutschland sind es 51.400 Euro.
Abbildung 3: Arbeitszufriedenheit der Thüringer
Die Arbeitszufriedenheit der Thüringer erreichte im Jahr 2023 mit 7,04 Punkten ein vergleichsweise hohes Niveau (Abbildung 3). In den 2010er-Jahren lag sie durchweg deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt, blieb jedoch stabil. Im Jahr 2021 verharrten die Thüringer weiterhin auf diesem Niveau, während der Bundesdurchschnitt auf 7,00 Punkte absank, so dass zu diesem Zeitpunkt die Thüringer zeitweise sogar zufriedener mit ihrer Arbeit waren als der Durchschnitt in Deutschland. Für die Zukunft scheint es, als ob die Arbeitszufriedenheit in Thüringen sich insgesamt positiv entwickeln wird – ähnlich wie in Deutschland.
Die Arbeitssituation in Thüringen war aber noch nie einfach: Die Thüringer geben seit Jahren die mit Abstand höchste Arbeitsbelastung an. Auch in einer unserer Befragungen vom Januar 2022 zeigte sich, dass hier mit 11,7 Stunden die deutschlandweit meiste Zeit mit Hausarbeit und Arbeit pro Tag verbracht wird (Gesamtdeutschland: 10,9 Stunden). Die Corona-Pandemie hat daran wenig verändert, während in anderen Bundesländern die neuen Belastungen wie ein Schock wirkten.
Familienzufriedenheit top, Gesundheitszufriedenheit flop
Die Familienzufriedenheit (7,64 Punkte) ist – in Ostdeutschland traditionell – überdurchschnittlich, was vor allem an der ländlichen Prägung liegt (Abbildung 4): Eine geringere Zahl an Alleinlebenden und Einpersonenhaushalten auf dem Land im Vergleich zur Stadt bedeutet für das dünn besiedelte Thüringen auch weniger Unzufriedene im Familienbereich. Der starke Anstieg in Thüringen ist trotzdem erstaunlich – mit dieser Erholung gehören die Thüringer Familien zu den wenigen in Deutschland, deren Familienzufriedenheit sogar über dem Vor-Corona-Niveau liegt.
Abbildung 4: Die Zufriedenheit der Thüringer mit ihrem Familienleben
Die Zufriedenheit mit der Gesundheit liegt mit 6,68 Punkten deutlich unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt (7,00 Punkte) (Abbildung 5). Dies ist kaum überraschend, wenn man das hohe Durchschnittsalter der thüringischen Bevölkerung in Betracht zieht sowie die damit einhergehend hohe Pflegebedürftigkeit. In Thüringen haben derzeit 7,9 Prozent der Gesamtbevölkerung einen Pflegegrad, während es im gesamten Bundesdurchschnitt 6 Prozent sind. Immerhin kann Thüringen in Bezug auf die Krankenhausbettendichte punkten: Durch die gesetzliche Vorgabe, dass innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus erreichbar sein muss, gibt es ausreichend Krankenhausbetten im dünn besiedelten Land – nämlich 7,3 pro 1.000 Einwohner (Ø Deutschland: 5,8).
Abbildung 5: Die Zufriedenheit der Thüringer mit ihrer Gesundheit
Stärken | Thüringen | Deutsch- land |
---|---|---|
Baulandpreisea Durchschnittliche Kaufwerte für Bauland in € je m², 2020 |
51 | 192 |
Krankenhausbettendichteb je 1.000 Einwohner |
7,3 | 5,8 |
Armutsgefährdungsquotec Anteil der Personen mit einem Einkommen unter 60 Prozent des regionalen Medians, in Prozent, 2022 |
13,6 | 16,7 |
Schwächen | Thüringen | Deutsch- land |
---|---|---|
Pflegequoted Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung in Prozent, 2021. |
7,9 | 6,0 |
Gewerbeanmeldequotee Verhältnis von Gewerbeanmeldungen zu Gewerbeabmeldungen in Prozent 2022. |
-2,2 | +19,6 |
Durchschnittsalterf 2021 |
47,2 | 44,2 |
Bruttoarbeitsentgeltg je Einwohner jährlich in Euro, 2021 |
36.500 | 51.400 |
a Statistik der Kaufwerte für Bauland des Bundes und der Länder. b Krankenhausverzeichnis. c Mikrozensus. d Pflegestatistik. e Gewerbeanzeigenstatistik, eigene Berechnungen. f Bevölkerungsstatistik. g Statistisches Bundesamt.