Das subjektive Wohlbefinden der Saarländer sinkt weiter und der Abwärtstrend erfasst sogar sämtliche Bereichszufriedenheiten. Am unzufriedensten sind sie mit ihrer finanziellen Situation. Aber auch die Zufriedenheit mit der Arbeit und der Familie ist ausgesprochen niedrig. Gründe liegen im stockenden Strukturwandel der industriell geprägten Region und in den aktuellen Krisen wie Energiepreise und Deglobalisierung.
Das Saarland ist 2023 eines der wenigen Bundesländer, dessen Lebenszufriedenheit abnimmt: Mit einem Wert von 6,21 Punkten liegt sie in diesem Jahr 0,28 Punkte unter dem Niveau von 2022 (Abbildung 1). Sie liegt, wie nur noch in Mecklenburg-Vorpommern, unter den Tiefstwerten der Corona-Zeit. Dies hat zur Folge, dass der Abstand zu Gesamtdeutschland (6,92 Punkte) weiter wächst und mittlerweile 0,71 Punkte beträgt. In Westdeutschland ist das Gebiet rund um Saarbrücken das unglücklichste. Das bedeutet einen abgeschlagenen Platz 15 im Glücksranking der Bundesländer. Im letzten Jahrzehnt lag die Region mal über, mal unter dem Bundesschnitt der Lebenszufriedenheit, doch die aktuelle Entwicklung macht es zu einem Sorgenkind.
Abbildung 1: Allgemeine Lebenszufriedenheit im Saarland 2015 bis 2023
Die Probleme sind vielfältig: Das stark industrialisierte Land kämpft mit einer schwächelnden Konjunktur. Die Auftragseingänge sind im Frühjahr diesen Jahres um knapp acht Prozent zurückgegangen (Gesamtdeutschland: minus 4,7 Prozent), zudem sinkt die Beschäftigung. Die Erwartungen der saarländischen Unternehmen waren zum Jahreswechsel 22/23 schlechter als im ersten Corona-»Lockdown« 2020. Die wirtschaftlichen Belange stehen für die Saarländer auch weiterhin im Mittelpunkt, ähnlich wie in den Vorjahren. Laut einer repräsentativen Umfrage vom März 2023 betrachten 31 Prozent der wahlberechtigten Saarländer die Arbeitslosigkeit und den Arbeitsmarkt als ihr wichtigstes bzw. zweitwichtigstes Anliegen, während 21 Prozent die Wirtschaft und den Strukturwandel als solches betrachten. Darüber hinaus gewinnen Bildungs- und Migrationsfragen an Bedeutung.
Einkommens- und Arbeitszufriedenheit sinken extrem
Abbildung 2: Die Zufriedenheit der Saarländer mit ihrem Haushaltseinkommen
Das Saarland gehört – neben Bremen und dem Ruhrgebiet – zu den ärmsten westdeutschen Regionen. Der Landkreis Merzig-Wadern ist mit einem verfügbaren Einkommen von 19.988 Euro je Einwohner auf dem Niveau von ärmeren Regionen Ostdeutschlands. Es ist wenig überraschend, dass die Saarländer unzufriedener mit ihrer finanziellen Situation sind als der Durchschnitt in Deutschland. Schon 2019 lag die Einkommenszufriedenheit 0,53 Punkte unter dem Schnitt (Abbildung 2). Mit aktuell 5,57 Punkten ist der Wert aber so niedrig wie nie.
2022 betrugen die Reallohnverluste der Saarländer seit 2020 6,14 Prozent (Deutschland: 5,44 Prozent): Die Preissteigerungen trafen die Menschen hier somit besonders heftig. Nur beim Wohnen sieht es noch gut aus: Die Nettokaltmiete ist seit 2015 um nur acht Prozent gestiegen, ausgehend von bereits sehr geringen Mieten. Die Saarländer sind überdies wahre Spitzenreiter beim Wohneigentum: 64,7 Prozent der Haushalte leben im Saarland in den eigenen vier Wänden – deutschlandweit sind es nur 46,5 Prozent. Je höher aber das Wohneigentum, desto höher der finanzielle Druck, gerade wenn das eigene Häuschen »auf Kante« finanziert ist.
Abbildung 3: Arbeitszufriedenheit der Saarländer
Das Saarland ist noch immer sehr industriell geprägt. Neben Stahlunternehmen finden sich dort Porzellan- und Blechfabriken sowie Automobilzulieferer. Ein erheblicher Teil der Beschäftigten arbeitet somit im produzierenden Gewerbe, was das Saarland von Regionen unterscheidet, die bereits stärker auf Dienstleistungen ausgerichtet sind, wie beispielsweise Südbayern.
Die Industrieorientierung hat in der Corona-Pandemie geholfen, denn es wurde weiter produziert und exportiert. Die Beschäftigten hatten nur einige Hygienebestimmungen zu erfüllen, größtenteils ging es in den Werken aber weiter wie gewohnt. Während in Gesamtdeutschland die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit in den Corona-Jahren sank (2021: 6,90 Punkte) stieg sie im Saarland sogar an – 2021 lag sie bei 7,29 Punkten (Abbildung 3). Der Vorteil in der Pandemie wendet sich 2022 und 2023 zum Nachteil: Ukraine-Krieg, Energiekrise und Deglobalisierung treffen besonders die Industrie und gefährden das wirtschaftliche Geschäftsmodell Deutschlands. Das ist den Betroffenen natürlich bewusst und bleibt nicht ohne Folgen auf die Jobunsicherheit und die Stimmung. Die Arbeitszufriedenheit der Saarländer fällt 2023 auf 6,37 Punkte – und ist damit der niedrigste Wert in Deutschland.
Auch Familien- und Gesundheitszufriedenheit fallen
Abbildung 4: Die Zufriedenheit der Saarländer mit ihrem Familienleben
Die Zufriedenheit mit dem Familienleben entwickelt sich im Saarland gegen den deutschlandweiten Trend. Während der Corona-Pandemie, als die durchschnittliche deutsche Familienzufriedenheit auf 7,17 Punkte absackte, stabilisierte sich der saarländische Wert bei 7,82 Punkten (Abbildung 4). Mit dem Auslaufen der Maßnahmen 2022 fiel die Familienzufriedenheit im Saarland aber auf 7,25 Punkte, während sie sich in Deutschland auf 7,42 Punkte erholte. 2023 verschlimmert sich das Bild: Mit 6,03 Punkten sind die Saarländer besonders unzufrieden mit ihrem Familienleben.
Abbildung 5: Die Zufriedenheit der Saarländer mit ihrer Gesundheit
Auch bei der Zufriedenheit mit der Gesundheit läuft die Entwicklung im Saarland gegen den bundesweiten Trend. Sie ist hier mit aktuell 5,8 Punkten extrem niedrig. Dieser Abwärtstrend hält eigentlich schon seit 2019 an, während sich im restlichen Bundesgebiet die Zufriedenheit mit der Gesundheit positiv entwickelt. Der Abstand beträgt aktuell extreme 1,2 Punkte (Abbildung 5).
In der Tat, die Siedlungsdichte im Saarland ist hoch, die Anzahl der Pkw pro Einwohner liegt bei Weitem über dem deutschen Durchschnitt und die Bevölkerung ist überdurchschnittlich gealtert. Diese Faktoren deuten bereits auf Herausforderungen für den Gesundheitszustand der Bevölkerung im Saarland hin. So zeigt auch der Morbiditäts- und Sozialatlas der Barmer-Krankenkasse in vielen Bereichen – seien es ernährungsbezogene, psychische oder auch Lungenerkrankungen – für das Saarland schlechte Werte. Allerdings ist die extreme Differenz in der Gesundheitszufriedenheit in dieser Höhe nicht wirklich erklärbar.
Stärken | Saar- land |
Deutsch- land |
---|---|---|
Wohnflächea je Einwohner in m², 2020 |
55,1 | 47,4 |
Großunternehmenb Anteil an Niederlassungen mit mehr als 250 Beschäftigten an allen Niederlassungen, in Prozent, 2020 |
52 | 45 |
Eigentumsquotec Anteil Haushalte, in denen die Eigentümer selbst wohnen, an allen Haushalten, in Prozent, 2022 |
60 | 42 |
Schwächen | Saar- land |
Deutsch- land |
---|---|---|
Anteil Siedlungs- und Verkehrsfläched in Prozent der Gesamtfläche, 2021 |
21,5 | 14,1 |
Anteil Bevölkerung 55 Jahre und ältere in Prozent, 2021 |
41,5 | 37,2 |
Steuerkraft je Einwohnerf Kommunalsteuern (Grund- und Gewerbesteuer), in Euro, 2019 |
766 | 1.012 |
Pkw-Dichteg je 1.000 Einwohner, 2020 |
653 | 574 |
Übernachtungen je Einwohnerh 2021 |
2,1 | 3,7 |
a Fortschreibung des Wohngebäude- und Wohnungsbestandes des Bundes und der Länder. b Unternehmensregister-System des Bundes und der Länder. c Statistisches Bundesamt, Mikrozensus. d Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung. e Statistik der Bundesagentur für Arbeit. f Realsteuervergleich des Bundes und der Länder. g Statistik des Kraftfahrzeugbestandes des Bundes und der Länder. h Monatserhebungen zum Tourismus.