Den Bremern geht es 2023 wieder wesentlich besser. Die Einkommens-, Arbeits- und Familienzufriedenheit sind deutlich gestiegen. In der Lebenszufriedenheit nähert man sich dem gesamtdeutschen Durchschnitt an und liegt im Bundesländer-Ranking sogar auf Rang neun. Es bleiben aber viele Probleme bestehen und so ist fraglich, ob die Hansestadt zukünftig diesen guten Rang halten wird.
Bremen hat einen Kraftakt hinter sich: Mit 6,84 Punkten liegt das kleinste Bundesland nur noch 0,08 Punkte vom diesjährigen Gesamtdurchschnitt von 6,92 Punkten entfernt (Abbildung 1). Damit hat Bremen nach dem starken Absinken in der Corona-Pandemie eine regelrechte Aufholjagd hingelegt. Seit 2021 stieg das subjektive Wohlbefinden um 0,49 Punkte – für die gesamte Bundesrepublik waren es im gleichen Zeitraum 0,26 Punkte. Auch die Differenz zu Hamburg nimmt ab: 2022 fehlten noch 0,38 Punkte zur Lebenszufriedenheit der Hamburger, in diesem Jahr sind es nur noch 0,27 Punkte. Damit liegt Bremen auf Platz neun im Mittelfeld.
Abbildung 1: Allgemeine Lebenszufriedenheit in Bremen 2015 bis 2023
Trotzdem: Noch ist Bremen (6,84) von Glücksregionen Deutschlands wie zum Beispiel Holstein (7,36), Bayern-Süd (7,23) oder dem Münsterland (7,23) weit entfernt. Im 32er-Regionen-Ranking belegt die Hansestadt den 19. Rang, hinter Gebieten wie Sachsen-Anhalt (6,95) oder Nordhessen (7,15). Im Vergleich zum benachbarten Niedersachsen kann Bremen aufholen: Die Region Niedersachsen-Nordsee (einschließlich Osnabrück, Ostfriesland und dem Bereich zwischen Bremen und Hamburg) erreichte 2023 einen Wert von 6,76 Punkten, während Niedersachsen-Hannover mit 6,83 Punkten ungefähr auf demselben Niveau wie Bremen liegt.
Einkommenszufriedenheit erholt sich stark, Arbeitszufriedenheit nur mäßig
Die Bremer beurteilen ihr Einkommen 2023 wieder deutlich besser als in den Jahren davor (Abbildung 2). Mit 6,45 Punkten nähert sich die Zufriedenheit mit dem Haushalteinkommen wieder dem Niveau von 2021. Damals begann für ganz Deutschland die Phase heftiger Reallohnverluste. Dennoch ist man weit von den Werten von vor der Corona-Pandemie entfernt. 2019 berichteten die Hanseaten noch von einer durchschnittlichen Einkommenszufriedenheit von 7,02 Punkten.
Die ökonomischen Indikatoren sind insgesamt lediglich mäßig, vor allem in den nördlichen Stadtteilen und in Bremerhaven. Dort finden wir vor: hohe Arbeitslosenquoten, eine signifikante Anzahl von Langzeitarbeitslosen, überdurchschnittlich viele Unternehmensinsolvenzen und ein Anteil von 14 Prozent an Bürgern, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können (im Vergleich zum deutschlandweiten Durchschnitt von 10 Prozent) – alles Anzeichen für zahlreiche wirtschaftliche Probleme.
Abbildung 2: Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrem Haushaltseinkommen
Zu den schon vor dem Anstieg der Inflation bestehenden Problemen gehört die ausgeprägte soziale Ungleichheit innerhalb der Stadt: Im Stadtteil Oberneuland ist das Einkommen fast dreimal so hoch wie in Gröpelingen. Da die Stadtteile nicht weit entfernt voneinander liegen, ist die Ungleichheit für die Ärmeren in Bremen deutlich spürbar. Die Friedrich-Ebert-Stiftung beschreibt die Situation in einer Lebensqualitätsstudie von 2021 wie folgt: »In diesen Quartieren [Stadtteilen] klaffen Einkommen, Lebenserwartung, Krankheitsanfälligkeit, Bildungsniveau und Wohnqualität weit auseinander.« Das senkt die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard.
Zudem ist der Anteil an Bremern, die vom Staat Mindestsicherungsleistungen erhalten, besonders hoch: 17,3 Prozent erhalten Bürgergeld, Grundsicherung im Alter usw. In Gesamtdeutschland sind es 8,3 Prozent. Die Möglichkeiten der Stadt, gegen die wachsende Armut vorzugehen, sind aber schon heute begrenzt – der Staatshaushalt ist hoch verschuldet.
In Bremen wird allerdings derzeit viel investiert, was auf eine bessere wirtschaftliche Zukunft hoffen lässt. Zudem profitieren die Bremer von relativ geringen Mieten: Statt wie in anderen Großstädten ein Drittel des eigenen Einkommens für die eigenen vier Wände aufbringen zu müssen, sind es in Bremen »nur« ein Viertel.
Abbildung 3: Arbeitszufriedenheit der Bremer
Das immer noch hohe Arbeitslosenniveau drückt auch auf die Zufriedenheit mit der eigenen beruflichen Situation (Abbildung 3). Zwar kann sich die Arbeitszufriedenheit 2023 auf 6,75 Punkte verbessern, bleibt aber hinter den eigenen Möglichkeiten (2019: 7,38 Punkte) sowie hinter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 7,11 Punkten zurück. Denn eigentlich ist Bremen durchaus ein starker industrieller Standort: Mit einem großen Mercedes Benz-Werk, einer Windkraft- und Maritimindustrie sowie einem Zentrum für Luft- und Raumfahrt bietet die Hansestadt ein breites Branchenangebot. Dauerhaft hohe Energiepreise und eine längere Rezession wären allerdings Gift für die Erholung der Arbeitszufriedenheit.
Familienzufriedenheit auf Erholungskurs, Gesundheitszufriedenheit durchschnittlich
Abbildung 4: Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrem Familienleben
Die Familienzufriedenheit ist mit 6,87 Punkten sehr niedrig (Abbildung 4), während sie im Bundesschnitt zwischen 7,7 und 8,0 Punkten liegt. In Bremen gibt es Faktoren, die die Zufriedenheit mit dem Familienleben negativ beeinflussen, darunter ein hoher Anteil von Einpersonenhaushalten, eine hohe Sozialquote und niedrige Einkommen. Diese Probleme wurden während der Corona-Pandemie verstärkt: Alleinlebende fühlten sich einsamer und einkommensschwache Familien hatten mit der räumlichen Enge ihrer kleinen Wohnungen besonders zu kämpfen. Kinder und Jugendliche verloren teils ihre Rückzugsorte und konnten aufgrund fehlender digitaler Endgeräte dem Schulunterricht kaum folgen. Diese Schwierigkeiten werden sich gerade in Städten mit durchschnittlich geringen Einkommen gegenseitig verstärkt und das Familienleben belastet haben.
Abbildung 5: Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrer Gesundheit
Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrer Gesundheit liegt 2023 etwa im bundesdeutschen Durchschnitt (Abbildung 5). Die im Vergleich zu Gesamtdeutschland geringen Werte der letzten Jahre – z.B. 2021 mit 6,69 Punkten – überraschen, denn Bremen hat eine relativ junge Bevölkerung sowie eine gute medizinische Versorgung. Die Dichte an Krankenhausbetten und Ärzten ist deutlich höher als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Außerdem gilt die Stadt als fahrradfreundlich und im ÖPNV gut aufgestellt. Das alles lässt nicht unbedingt eine besonders »kränkliche« Bevölkerung erwarten. Dem stehen allerdings gesundheitsverschlechternde Faktoren wie Lärm und Luftverschmutzung gegenüber.
Stärken | Bremen | Deutsch- land |
---|---|---|
Ärztequotea je 10.000 Einwohner, 2020 |
18,5 | 14,6 |
Krankenhausbettenb je 1.000 Einwohner, 2020 |
7,4 | 5,9 |
Erreichbarkeit von Autobahnenc Durchschnittl. benötigte Fahrzeit zur nächsten Anschlussstelle in Minuten, 2021 |
5,4 | 16 |
Investitionen je Beschäftigtend Betrieblich, 2021 |
19300 | 9900 |
Fahrradfreundlichkeitb Anteil an Radwegen, die den Einwohnern sicher erscheinen, in Prozent, 2022 |
80 | 47 |
Schwächen | Bremen | Deutsch- land |
---|---|---|
Unternehmensinsolvenzene je 10.000 Unternehmen, 2021 |
110 | 46 |
Arbeitslosenquotef in Prozent aller Erwerbspersonen, Juli 2022 |
10,8 | 5,7 |
Langzeitarbeitslosef Anteil der Arbeitslosen, 1 Jahr und länger arbeitslos, an den Arbeitslosen in %, 2020 |
39,6 | 30,3 |
Selbstständigenquoteg in Prozent aller Erwerbstätigen, 2020 |
6,7 | 9 |
Schuldnerquoteh in Prozent aller Einwohner mit 18 Jahren oder älter, 2019 |
14 | 10 |
Mindestsicherungsquotei in Prozent aller Einwohner, 2020 |
18,1 | 8,2 |
Straßenverkehrsunfällej je 100.000 Einwohner, 2020 |
472 | 404 |
a Kassenärztliche Bundesvereinigung. b Krankenhausstatistik des Bundes und der Länder. c Erreichbarkeitsmodell des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. d Statistische Ämter des Bundes und der Länder. e Statistische Ämter des Bundes und der Länder. f Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). g Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder. h Schuldneratlas Deutschland des Verbands der Vereine creditreform e.V. i Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II der Bundesagentur für Arbeit. j Statistik der Straßenverkehrsunfälle des Bundes und der Länder.