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In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg

SKL Glücksatlas 2022

Bremen: Stadt in der Abwärtsspirale?

Corona und Inflation treffen die Lebenszufriedenheit der Bremer hart. Dabei kann sich die Hansestadt auf eine Vielzahl von Vorteilen besinnen: Eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung sowie einige wirtschaftsstarke Unternehmen. Insbesondere die Arbeitszufriedenheit ist in Bremen traditionell sehr hoch.

Als Stadtstaat hatte es Bremen in der Corona-Pandemie nicht leicht. Junge Menschen und Familien büßten – insbesondere in den Lockdowns – stark an Lebenszufriedenheit ein. Und Bremen hat im deutschlandweiten Vergleich eine relativ junge Bevölkerung: 35 Prozent sind zwischen 18 und 44 Jahre alt. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt sind es gerade mal 27,6 Prozent. Dieser Corona-Effekt drückte Bremen im Jahr 2021 auf 6,35 Punkte auf der Skala zwischen 0 (»ganz und gar unzufrieden«) und 10 (»völlig zufrieden«). 2022 kann sich die Hansestadt allerdings nur leicht auf 6,58 Punkte erholen (Abbildung 1). Im Glücksranking bedeutet das Platz 12 (von 16) und der Weg zu den Vor-Corona-Werten in den 2010er-Jahren ist noch weit entfernt. Zwischen 2015 und 2019 bewegte sich das Pendel zwischen 6,87 und 6,96 Punkten.

Abbildung 1: Bremen folgt im Glücksverlauf Gesamtdeutschland – nur auf niedrigerem Niveau

Bremen erholt sich 2022 vom Corona-Schock und liegt im Bundesländer-Ranking auf Platz 12. Die Hansestadt bleibt aber weit vom gesamtdeutschen Durchschnitt entfernt.

Anmerkung: Lebenszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2017, Glücksatlas-Datenbank 2015 bis 2022.

Der Abstand zum gesamtdeutschen Durchschnitt bleibt über die Zeit bei 0,1 bis 0,3 Punkten. Es kann somit als statistisch gesichert gelten, dass die Bremer im Durchschnitt klar unzufriedener mit ihrem Leben sind als der Bundesdurchschnitt. Einige Indikatoren weisen ebenfalls in diese Richtung: Die Einkommen der Bremer sind relativ gering, während die Wohn- und Lebenshaltungskosten sogar leicht überdurchschnittlich sind. Zudem trifft die Inflation die Bremer besonders hart: Wir errechnen einen Reallohnverlust von 6,7 Prozent seit Januar 2020 (Gesamtdeutschland: 5,44 Prozent). Die Wohlstandsgewinne der 2010er-Jahre sind in Bremen somit wieder weggeschmolzen.

Einkommenszufriedenheit auf Rekordtiefstwert, Arbeitszufriedenheit erholt sich nach Corona wieder leicht

Abbildung 2: Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrem Haushaltseinkommen

Die Einkommenszufriedenheit liegt 2022 in Bremen auf einem Rekordtiefstwert. Mit 5,26 Punkten ist sie um 1,24 Punkte niedriger als 2021.

Anmerkungen: Einkommenszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«). Haushaltseinkommen: Nettoeinkommen aller Haushaltsmitglieder nach Steuern und Sozialabgaben, aber plus Transfers wie Wohn- oder Kindergeld.

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2022.

Die Einkommenszufriedenheit der Bremer sinkt bereits seit 2015 (Abbildung 2), also noch bevor die Inflation hohe Reallohnverluste verursachte. Von 7,06 Punkten (2015) fällt sie bis 2021 auf 6,50 Punkte. 2022 sind es beängstigende 5,26 Punkte. Die Bremer sind mit ihrer finanziellen Situation somit extrem unzufrieden.

Zu den schon vor der Inflation bestehenden Problemen gehört die hohe Ungleichheit innerhalb der  Stadt: Im Stadtteil Oberneuland ist das Einkommen fast dreimal so hoch wie in Gröpelingen. Da die Stadtteile nicht weit entfernt voneinander liegen, ist die Ungleichheit für die Ärmeren in Bremen spürbar. Die Friedrich-Ebert-Stiftung zitiert den Politologen Lothar Probst in einer Lebensqualitätsstudie von 2021 wie folgt: »In diesen Quartieren [Stadtteilen] klaffen Einkommen, Lebenserwartung, Krankheitsanfälligkeit, Bildungsniveau und Wohnqualität weit auseinander.« Das senkt die Zufriedenheit mit dem eigenen Wohlstand und Lebensstandard.

Zudem ist der Anteil an Bremern, die vom Staat Mindestsicherungsleistungen erhalten, besonders hoch: 17,3 Prozent erhalten Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter usw. In Gesamtdeutschland sind es 8,3 Prozent. Die Möglichkeiten der Stadt, gegen die wachsende Armut vorzugehen, sind aber schon heute begrenzt – der Staatshaushalt ist hoch verschuldet.

Abbildung 3: Arbeitszufriedenheit der Bremer

Die Arbeitszufriedenheit erholt sich 2022 wieder auf 6,55 Punkte.

Anmerkungen: Arbeitszufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2022.

Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrer Arbeitssituation hat sich 2022 wieder leicht erholt. Nach einem coronabedingten Tiefpunkt von 6,20 Punkten im Jahr 2021 liegt sie 2022 bei 6,55 Punkten. Dabei waren die Bremer vor Corona mit ihrer Arbeit sehr zufrieden. Vor 2019 gehörte Bremen sogar zu den Städten mit der höchsten Arbeitszufriedenheit. Denn Bremen ist durchaus ein starker industrieller Standort: Mit einem großen Mercedes Benz-Werk, einer Windkraft- und Maritimindustrie sowie einem Zentrum für Luft- und Raumfahrt bietet die Hansestadt ein breites Branchenangebot. Dauerhaft hohe Energiepreise und eine längere Rezession wären allerdings Gift für die Erholung der Arbeitszufriedenheit.

Bremen weist bundesweit die geringste Familienzufriedenheit aus, Freizeitzufriedenheit stadttypisch wieder höher

Abbildung 4: Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrem Familienleben

Die Zufriedenheit mit dem Familienleben hat vor allem unter den geschlossenen Kitas und Schulen während der Corona-Pandemie gelitten.

Anmerkungen: Familienzufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2022.

Wenig überraschend ist das Sinken der Zufriedenheit mit dem Familienleben während der Corona-Pandemie (Abbildung 4). Bremen vereint letztlich überdurchschnittlich stark alle Gruppen, deren Familien- und Kontaktleben besonders stark unter den Lockdown-Maßnahmen gelitten haben: Das sind vor allem Alleinlebende und junge Menschen, Familien aus der unteren Einkommensschicht sowie Alleinerziehende. Die Familienzufriedenheit fiel 2021 auf 6,04 Punkte – das ist der niedrigste Wert im bundesweiten Vergleich. Kita- und Schulschließungen brachten den Familienalltag gehörig unter Stress. Vor allem in einkommensschwachen Haushalten haben sich während der Pandemie bestehende Konflikte verstärkt. 2022 erholt sich die Familienzufriedenheit durch die Aufhebung vieler Corona-Maßnahmen wieder etwas (6,25 Punkte).

Abbildung 5: Die Zufriedenheit der Bremer mit ihrer Freizeit

Die Corona-Pandemie hat die Freizeitzufriedenheit der Bremer stark sinken lassen. 2022 hat diese sich allerdings überdurchschnittlich gut erholt!

Anmerkungen: Freizeitzufriedenheit von 0 (»ganz und gar unzufrieden) bis 10 (»völlig zufrieden«).

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel 2015 bis 2020, Glücksatlas-Datenbank 2021 bis 2022.

Die Freizeitzufriedenheit der Bremer hat sich 2022 stark verbessert und liegt mit 6,84 Punkten sogar oberhalb der Vor-Corona-Werte. Stadttypisch ist aber auch das extreme Absinken 2021 auf 4,27 Punkte. Im Sommer 2021 gaben ein Drittel der Bremer Werte zwischen 0 und 4 an, waren also mit ihrem Freizeitleben sehr unzufrieden. Großen Anteil an der Freizeitzufriedenheit der Bremer hat wohl der jährlich im Oktober stattfindende Freimarkt – eine Kirmes in Bremen, zu der sich ganz Bremen zusammenfindet.

Stärken

Heben die Lebenszufriedenheit

  • Hoher Anteil an jungen Menschen (während Corona eher ein Nachtteil)
  • Einige große ansässige Unternehmen

Schwächen

Senken die Lebenszufriedenheit

  • Hohe Ungleichheit zwischen den Stadtteilen
  • Hohe Armutsgefährdung, viele Familien mit geringem Einkommen
  • Öffentliche Haushalte haben wenig finanziellen Spielraum
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